Podiumsdiskussion zur Europawahl
Am 9. Juni ist Europawahl. Die neu gewählten Abgeordneten werden sich danach intensiv mit Agrarpolitik beschäftigen. Auf Einladung der LVÖ Bayern e.V. und des Agrarbündnis’ Bayern diskutierten vier Kandidierende vor allem über zwei brisante Themen: die Deregulierung der neuen Gentechniken sowie die Verteilung von mehreren Milliarden Euro EU-Agrarförderung.
„Wir sollten nicht Gott spielen“
Stefan Köhler (CSU) stellte in Frage, ob die so genannte Neue Gentechnik 1 (NGT1) überhaupt als Gentechnik einzustufen sei. „So gezüchtete Pflanzen sind nicht zu unterscheiden von klassisch gezüchteten. Darüber müssen wir in den Ausschüssen noch diskutieren.“
Dem widersprach Martin Häusling (Bündnis 90/DIE GRÜNEN) und wies darauf hin, dass auch der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil zur NGT 2018 klargestellt hat, dass die neuen genomischen Techniken wie CRISPR/CAS eindeutig als Gentechnik einzustufen seien. „Es gibt eine große Bandbreite klassisch gezüchteter Sorten und moderner Züchtungsmethoden. Diese reichen vollkommen aus, um die Züchtung voranzubringen. Werden die neuen Gentechniken freigegeben, könnten außerdem viele kleine und mittlere Saatgutzüchtungsfirmen aussterben, so wie es auch in den USA passiert ist“, sagte Martin Häusling.
Jürgen Rappert (FW) hat sich in der Debatte klar gegen die Deregulierung der neuen Gentechniken ausgesprochen: „Wir sollten nicht Gott spielen. Es gibt viele alte Sorten, die robust und widerstandsfähig sind, diese sollte man für die weitere klassische Züchtung mehr nutzen.“
Agnes Becker (ÖDP) stimmte Rappert zu, auch sie warnte davor, die neuen Gentechniken ohne Not für die Züchtung landwirtschaftlichen Saatgutes freizugeben: „Die Deregulierung würde bedeuten, dass gentechnisch veränderte Pflanzen ohne Risikoprüfung in die Umwelt entlassen werden. Wir würden damit die Büchse der Pandora öffnen und das hohe gut des Vorsorgeprinzips aushebeln.“
Kandidierende der SPD und FDP waren eingeladen, doch aus Termingründen verhindert.
Umweltziele jetzt verteidigen
Thomas Lang, erster Vorsitzender der LVÖ Bayern e.V. und Moderator des Abends fasst zusammen: „Für den ökologischen Landbau wäre eine Deregulierung der Neuen Gentechniken eine Hiobsbotschaft. Denn wir Bio-Bäuerinnen und Bio-Bauern müssen und wollen auch in Zukunft garantiert gentechnikfreie Lebensmittel produzieren. Die aktuellen Vorschläge gefährden die Wahlfreiheit – für Züchtung, Landwirt*innen und auch Verbraucher*innen. Vor allem bei der Patentfrage, der Koexistenz- und Haftungsfrage gibt es keine Antworten. Die Biobäuerinnen und Biobauern dürfen nicht die Lasten der politischen Unklarheit tragen.“
Die Diskussion drehte sich auch um die Agrarförderung und Entbürokratisierung. Sie zeigte auf, welche weichenstellenden Entscheidungen auf europäischer Ebene getroffen werden. Die aktuell unter dem Deckmantel der „Entbürokratisierung“ eingeleiteten Aufweichungen der europäischen Umweltstandards wären ein Rückschritt für Arten-, Klima-, Gewässerschutz und Tierwohl. „Entbürokratisierung ja, aber nicht auf Kosten einer wirklich nachhaltigen Ernährung und Landwirtschaft“, so Thomas Lang weiter. „Wir fordern daher alle künftigen Europa-Abgeordneten auf: seien Sie standhaft und verteidigen Sie die mühevoll errungenen agrarökologischen Ziele der EU, stehen Sie zur Farm-to-Fork-Strategie und zum Green Deal, zu Pestizidreduktion und vor allem zu 25% ökologischem Landbau bis 2030, mit allem, was dazu gehört!“