Bayern braucht mehr Bio-Karpfen
Ökologisch erzeugter Karpfen aus Bayern ist eine gesunde Delikatesse – für Mensch und Umwelt. Die Nachfrage ist da, doch nur drei Prozent der Karpfenteich-Betriebe in Bayern wirtschaften aktuell gemäß den Bio-Richtlinien. Wo liegen die Gründe für diese Diskrepanz? Am vergangenen Freitag trafen sich Vertreter von Slow Food Deutschland, der neu gegründeten Öko-Modellregion Bamberger Land und der Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern e.V. (LVÖ) bei der ökologischen betriebenen Fischzucht der Familie Grimmer beim Alten Kurhaus in Lisberg-Trabelsdorf (Lkr. Bamberg). Dabei ging es um die aktuellen Themen der Bio-Teichwirtschaft und um die Suche nach Wegen um die bayerische Bio-Karpfenproduktion voranzubringen.
Die Teiche der Fischzucht am Alten Kurhaus (Mitglied bei Bioland) umfassen ca. 16 Hektar, hier werden hauptsächlich Speisekarpfen und Forellen produziert. Die Schilfgürtel rund um die Teiche werden nur ein Mal pro Jahr gemäht und bieten Lebensraum für Libellen, Frösche, Vögel und Co. Das Futter für die Fische kommt von den eigenen Bio-Äckern oder denen des Nachbarn. Der Einsatz von Hormonen bei der Nachzucht ist bei Bio-Betrieben tabu. Der hier im Aurachtal erzeugte Karpfen mit seinem festen und fettarmen Fleisch geht vor allem an die Gastronomie, aber auch die Direktvermarktung spielt eine Rolle.
Thomas Lang, erster Vorsitzender der LVÖ Bayern: „Ökologisch betriebene Teichwirtschaft ist ein Gewinn für uns alle. Die Leistungen, die Bio-Fischzuchtbetriebe für den Arten- und den Gewässerschutz erbringen, sind gesellschaftlich erwünschte, öffentliche Leistungen. Sie bedeuten einen Mehraufwand für die Teichwirte, der angemessen honoriert werden muss. Die Nachfrage nach regional erzeugtem Bio-Fisch ist da, z.B. in Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung in den Bio-Städten Regensburg, Nürnberg und München. Hier gilt es, den Aufbau des Angebots und der zugehörigen Vermarktungsstrukturen anzuschieben. Im April dieses Jahres wurde eine neue Fördermaßname für ökologisch geführte Karpfenteichwirtschaft aufgelegt. Nur: Diese greift zu kurz, um wirklich etwas zu bewirken. Um uns dem gesetzlich verankerten Ziel von 30% Ökolandbau bis 2030 anzunähern, brauchen wir auch für die bayerischen Teichwirte eine attraktive Förderung, die ihnen den Schritt zur Umstellung tatsächlich möglich macht. Zudem muss die Bio-Karpfen-Nachzucht gesichert werden. Auch hierfür braucht es Unterstützung von Seiten des Staates.“
Louis Grimmer, Betriebsleiter der Fischzucht am Alten Kurhaus: „Die Nachfrage nach Bio-Karpfen ist definitiv da, die Leute wissen um die hohe Qualität, die sie bei uns kriegen. Die große Schwierigkeit für uns besteht darin, Bio-Setzlinge zu bekommen. Darum investieren wir nun selbst in eine Fischhalle mit Bruthaus – eventuell können wir künftig dann auch Kollegen beliefern. Wir sehen nur bisher, dass an Bio interessierte Teichwirte vor der Umstellung zurückschrecken, weil man eben nur einen Teil der höheren Kosten für die nachhaltige Bewirtschaftung über den Verkaufspreis ausgleichen kann.“
Tobias Eckert, Geschäftsbereichsleiter der Regionalentwicklung am Landratsamt Bamberg: „Es ist mir eine besondere Freude, dass wir künftig als Öko-Modellregion diese so wichtigen Themen angehen können. Bereits bei der Vorbereitung unserer Bewerbung hat sich das Thema Karpfen als hochwertiges, regionales „Genuss-Mittel“ herauskristallisiert. Um diesen Genuss langfristig und nachhaltig zu ermöglichen, spielt die Nachzucht von Bio-Karpfen eine zentrale Rolle.“
Herbert Steiner, Mitglied der Arche-Kommission von Slow Food: „Die Teichwirtschaften in Bayern und in der Lausitz mit ihrer über 1000-jährigen Tradition sind in vielen Fällen im Bezug auf das jeweilige Ökosystem Teich schon sehr nachhaltig. Unser Ziel ist es, dieses Lebensmittel den Verbraucher*innen auch außerhalb der Karpfengebiete schmackhaft zu machen. Denn sie haben oft keine Gelegenheit, von Produzent*innen Informationen zu den Zucht- und Haltungsbedingungen wie etwa Besatzdichte, Fütterung oder Hormoneinsatz zu bekommen. Hier kommt die Bio-Zertifizierung als Orientierungshilfe ins Spiel.“
weitere Informationen:
Fischzucht Altes Kurhaus: www.altes-kurhaus.de/de/fischzucht/
Öko-Modellregion Bamberger Land: https://oekomodellregionen.bayern/
Slow Food: Die internationale Bewegung treibt mit Ernährungsbildung, Projekten und Initiativen zum Erhalt der biologischen wie kulturellen Vielfalt sowie mit politischen Lösungen die Ernährungswende aktiv voran. Das Projekt Arche des Geschmacks fördert regional bedeutsame Lebensmittel, Nutztierrassen, Kulturpflanzen und handwerkliche Verarbeitung und bewahrt diese vor dem Vergessen. In Deutschland zählt die Arche inzwischen über 85 Arche-Passagiere. Slow Food unterstützt die Erzeuger*innen und Weiterverarbeitenden von Passagieren beim Auf- und Ausbau von Netzwerken sowie mit Öffentlichkeitsarbeit. Die Arche des Geschmacks hat das Potenzial, einen lebendigen und zukunftsgewandten Beitrag zur Bewältigung des Klimawandels und anderer ökologischer Herausforderungen zu leisten. Die Arche-Kommission von Slow Food arbeitet an dem Thema Karpfen seit mehr als drei Jahren. Aus einem Vorschlag für eine regionale Variante ist in dieser Zeit ein Passagier der Arche des Geschmacks von Slow Food geworden, bei dem nicht eine Sorte oder Rasse aufgenommen wird, sondern eine Haltungsform. Weitere Informationen zu Projekten und Initiativen von Slow Food Deutschland finden Sie unter www.slowfood.de